Unter Einbrechern
Der Knast ist ein großes Sammelbecken von Kriminellen aus allen
Herren Ländern. Schon in den 90 er Jahren müssen ausländische
Intensivtäter keine großenj Befürchtungen haben, abgeschoben
zu werden. Deshalb ist die Karte Kriminalität in Deutschland, für
Menschen die aus armen Ländern kommen, nicht immer die
schlechteste im Spiel des Lebens. Der große Kuchen der
Drogengeschäfte ist im Hamburger Straßenhandel insofern
verteilt, dass die Schwarzafrikaner den Kokainhandel, die Türken
und Kurden den Heroinhandel und die Nordafrikaner den Handel
mit Cannabis in der Hand haben. Da für dieses
Untergrundgewerbe keine Lizenz und kein Schein vorhanden sein
muss, bestätigen Ausnahmen natürlich die Regel.
Im Knast wiederum, herrschen andere Spielregeln, denn in der
U-Haft sind die Zellen meistens dreiundzwanzig Stunden
geschlossen. Nur der Hausarbeiter, der hier im Norden Kallfaktor
genannt wird, hat fast den ganzen Tag die Zelle offen. Somit
laufen aus logistischen Gründen viele Drogengeschäfte über
diese Person.
In meiner Anfangszeit in Neumünster ist Ronny, der für diese
Geschäfte zuständige Kalfaktor. Da ihm bandenmäßig über
dreißig Einbrüche als Panzerknacker vorgeworfen werden, hat er
zusätzlich auch einiges Ansehen in unserer Abteilung. Als
Heroinabhängier soviele hochkaratätige Straftaten verübt zu
haben, das hat was, denken viele der hier einsitzenden
Untersuchungshäftlinge.
Bankräuber und Einbrecher gehören zur Elite im Gefängnis,
während Sexualtäter weit unten in der Hierachie zu finden sind.
Da Gefangene mit ausländischen Wurzeln eindeutig anzahlmäßig
in der Mehrheit sind, ist Rassismus nicht unbedingt ein Thema.
Die sich in der Unterzahl befindenen Nazis mucken hier nicht
groß auf, und trauen sich höchstens mal auf einer geschlossenen
Zelle, rechtsradikale Phrasen zu dreschen.
Es ist hier auch absolut kein Manko, drogenabhängig zu sein,
denn die Gruppe der Drogenkonsummenten ist absolut am
stärksten vertreten. Auch ist die Droge die stärkste Währung im
Knast. Ähnlich wie der Bitcoin als Kryptowährung in der heutigen
Zeit, der nicht greifbar ist, so ist die Droge als Zahlungsmittel hier
nicht zu erfassen. Aber sie schwebt gefühlsmäßig für alle sichtbar,
wie eine Koryphäe über den Gefängnismauern.
Laut Justizverwaltung gibt es offiziell natürlich keine illegalen
Drogen im Gefängnis. Aber mit Haschisch, besser noch Heroin
oder Kokain kann man sich hier alles kaufen. Tabak, Kaffee,
Süssigkeiten, auch Sex wenn man denn die Neigung zum
gleichen Geschlecht hat. Allerlei Elektrogeräte, vor allem
Fernseher, kann man sich mit Drogen sehr leicht besorgen. Ich
selber verleihe einmal meinen Fernseher für vier Wochen und
bekomme dafür von meinem Zellennachbar, täglich ein halbes
Gramm Hasch als Mietzins überreicht.
Völlig überraschend für alle hier, kommt Ronny plötzlich auf
Bewährung frei. Entweder hat er seine Mittäter als Kronzeuge
verpfiffen, oder er hat mit Hilfe des 35ers die Knastzelle gegen ein
Therapiezimmer eingetauscht, wird bei Gesprächen unter
Gefangenen getuschelt.
Auf jeden Fall ist plötzlich der Job des Kalfaktors frei. Als der
lustige, gemütliche, eine wenig rundliche, aus Bayern stammende
Beamte, mich plötzlich fragt: "Grüß Gott Wenning du bist doch no
ned narrisch wie viele hier, hast du ned lust hier den Kalfaktor zu
machn?" Ein wenig überrascht, überlege ich aber nicht lange und
greife sofort blitzschnell zu. "Ja gerne Herr Beamter! Wann kann
ich anfangen?" "Jo mei gleich sofort, das Abendessen kannste
hurtig heute Abend mit austeiln."
Sehr erfreut über dass Angebot des akzentsprechenden
Justizbeamten, kann ich sofort in die für den Hausarbeiter
vorgesehene Einzelzelle umziehn. Direkt vorne im Flur, nicht weit
von der Beamtenstube, habe ich jetzt mein neues Domizil.
Essen austeilen, Klamotten, Handtücher, Seife Duschgel oder
auch Klopapier rausgeben, dass ist nun mein Job. Von nun an ist
die Zelle fast den ganzen Tag auf. Für diesen neuen Dienst
bekomme ich über 200 DM Arbeitslohn monatlich auf mein
Knastkonto überwiesen.
Auch habe ich jetzt die Möglichkeiten kleine Drogengeschäfte zu
organisieren. Obwohl die Zellen meiner Knastkollegen täglich oft
dreiundzwanzig Stunden geschlossen sind, kann ich sie mit
Drogen versorgen. Durch die Löcher, die weniger als ein
Quadratzentimeter breit sind, nehme ich Geldscheine an, die ich
dann einige Zellen weiter gegen Drogen eintausche. Den Stoff
überbringe ich dann dem Käufer. Bevor ich dass kleine
Drogenpaket aber durch die Tür schiebe, kann ich mir vorher
einen kleinen Anteil für Botentätigkeit abschneiden. Jetzt in der
Untersuchungshaft wird fast ausschließlich mit Haschisch
gehandelt, sodass ich fast jeden Abend nach Zelleneinschluß
mich breitkiffen kann.
Doch auch sonst bin ich als netter, gerechter und jederzeit
gesprächsbereiter Verbindungsmann zwischen Beamten und
Knackis durchaus beliebt beim Knastpersonal und auch bei den
meisten Mitgefangenen.
Längere Gespräche führe ich in der täglichen Hofrunde immer
mit Ruud einem holländischen Einbrecher. Ruud ein Einzeltäter,
ging immer mit der gleichen Masche vor. Er sah sich nachts in
Siedlungen nach wertvollen Autos um. Danach bohrte er die
Eingangstür des Hauses auf, welches wohl zum Fahrzeugbesitzer
gehörte. In der Wohnung drin, ging er sofort zur Garderobe, um
den Fahrzeugschlüssel zu entwenden. Nach wenigen Sekunden
wieder draußen, startete er mit dem Schlüssel den Wagen und
fuhr davon. Mit dieser Masche war er ausschließlich in
Deutschland sehr erfolgreich. Doch da die Polizei nicht dumm ist,
schnappt irgendwann jeden mal. Da Ruud, in Holland bereits
vorbestraft, aber in Deutschland noch Ersttäter ist, hofft er auf
eine Bewährungsstrafe. Ruud einer der wenigen Nichraucher im
Knast, verschmäht in der Regel auch Drogen. "Du Hermann ich
nehme fast nie Drogen. Nur hin und wieder, wenn ich Sex habe,
nehme ich mal ne Nase Koks. Dass gibt dann einen intensiven
Kick, aber sonst lasse ich die Finger von dem Zeug. Außerdem
gibt er mir den Tipp: "Hermann du muß die Drogen weglassen, im
Gegensatz zu den meisten hier drin, bist du nicht doof und eine
ehrliche Haut. Nimm keine Drogen mehr, denn dann bist du immer
klar in der Birne und du machst keine Fehler. Als Einzelkämpfer,
ohne Mitwisser kann dich dann keiner verpfeifen und du wirst ein
sehr erfolgreicher inbreker." Inbreker so heißt der Einbrecher auf
holländisch.
Tagelang lasse mir echt die Ratschläge von Ruud durch den
Kopf gehen. Da im Knast fast nur Kriminelle unter sich sind, hat
das inzwischen ziemlichen Einfluß auf meinen Charakter. Ich als
leicht zu beeinflussender Mensch muß immer mehr feststellen,
wie mich die kriminelle Szene in den Bann zieht...